Die Einigung im Haushaltsstreit der Ampelkoalition hat in den letzten Stunden für Schlagzeilen gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich auf einen Mix aus Einsparungen, Umschichtungen und Subventionskürzungen geeinigt, um die Lücke im Etatentwurf für 2024 zu schließen. Diese Lücke war entstanden, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung kreditfinanzierter Corona-Hilfen in Klimasubventionen als verfassungswidrig erklärt hatte. Doch was bedeutet diese Einigung im Detail und wie sollen die fehlenden 17 Milliarden Euro eingespart werden? Nachfolgend erhalten Sie die Antworten auf die entscheidenden Fragen.
Die Schuldenbremse 2024: Wird sie ausgesetzt?
Die Schuldenbremse, die bereits viermal in Folge ausgesetzt wurde, um mehr Verschuldungsspielraum zu schaffen, bleibt vorerst bestehen. Die SPD und die Grünen hatten gefordert, sie erneut auszusetzen, da Deutschland angeblich wegen der unklaren Kosten der Hilfen für die Ukraine in einer Notlage sei. Diese Notlage würde Ausnahmen von der Schuldenregel erlauben. Christian Lindner und die FDP lehnten dies jedoch ab. Die Regierung behält sich jedoch vor, die Schuldenregel im Laufe des Jahres doch noch auszusetzen, falls der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine eskaliert oder wichtige Ukraine-Unterstützer wie die USA ihre Hilfen aufgrund innenpolitischer Probleme einstellen müssen. Eine zweite Ausnahme könnte es geben, wenn die Koalition ein neues Sondervermögen für die Flutopfer an der Ahr einrichtet und von der Schuldenregel ausnimmt, um die zugesagten Hilfen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro für 2024 auszahlen zu können.
Wo kommen die fehlenden 17 Milliarden Euro her?
Um die Lücke im Haushalt zu schließen, plant die Regierung eine Reihe von Maßnahmen. Zum einen sollen klimaschädliche Subventionen in Höhe von drei Milliarden Euro abgebaut werden. Dies betrifft unter anderem die EU-Plastikabgabe, die künftig von Unternehmen bezahlt werden soll, die Plastik herstellen. Außerdem wird eine Kerosinsteuer für innerdeutsche Flüge eingeführt, und Landwirte müssen mit Einschränkungen beim preisvergünstigten Agrardiesel rechnen. Zusätzlich werden die Haushalte des Bau- und des Verkehrsministeriums geringfügig gekürzt, und das Sozialministerium steuert 1,5 Milliarden Euro bei, indem Mittel für die Arbeitsvermittlung ukrainischer Geflüchteter effizienter eingesetzt werden.
Der Klima- und Transformationsfonds (KTF): Welche Veränderungen erwarten uns?
Obwohl dem KTF durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts rund zwölf Milliarden Euro fehlen, werden die großen Förderprogramme weiterhin in voller Höhe fortgeführt. Modernisierungen von Heizungen, der Aufbau eines deutschlandweiten Wasserstoffnetzes und die Errichtung moderner Chipfabriken in Ostdeutschland werden weiterhin unterstützt. Einschnitte gibt es jedoch bei der Förderung von Elektroautos und der Solarindustrie, zudem entfällt der Zuschuss für die Stromnetzentgelte der Unternehmen. Der KTF wird stattdessen mit höheren Einnahmen aus der CO₂-Steuer ausgestattet, was zu einer Anhebung des Preises für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxid führt und sich möglicherweise auf den Benzinpreis auswirken wird.
Subventionen für die Bahn: Woher kommen die Mittel?
Die geplanten Subventionen für die Bahn in Höhe von 12,5 Milliarden Euro, davon mehr als fünf Milliarden im Jahr 2024, sollen trotz der KTF-Lücke fließen. Allerdings werden sie nicht mehr aus dem KTF finanziert. Stattdessen nannte Christian Lindner Privatisierungserlöse als mögliche Finanzierungsquelle, ohne jedoch nähere Details zu nennen.
Werden Sozialleistungen gekürzt?
Entgegen den Erwartungen und Forderungen einiger Parteien und Wirtschaftsverbände wird es keine Kürzungen bei den Sozialleistungen geben. Der Etat von Minister Hubertus Heil (SPD), der den größten Anteil im Bundeshaushalt ausmacht, bleibt unverändert. Es wird sogar geplant, das Bürgergeld zu erhöhen und die Voraussetzungen für die Einführung einer Kindergrundsicherung zu schaffen.
Wie geht es weiter?
Die endgültige Verabschiedung des Haushalts 2024 wird erst im nächsten Jahr möglich sein, da die Fristen für die Beratungen im Bundestag dies erfordern. Im Januar wird vorläufige Haushaltsführung beginnen, die vorerst nur Ausgaben erlaubt, die notwendig sind, um die Verwaltung aufrechtzuerhalten und rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Dennoch könnten Ministerien pro Monat einen Prozentsatz der Mittel des noch nicht verabschiedeten Haushaltsentwurfs nutzen. Die Auszahlung von Renten und Sozialleistungen bleibt gesichert.
Die Meinungen der Ökonomen:
Die Meinungen der Ökonomen sind gespalten. Während Clemens Fuest, Chef des Münchener Ifo-Instituts, die Einigung als positiven Schritt betrachtet, warnt Sebastian Dullien, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, vor den wirtschaftlichen Konsequenzen. Dullien argumentiert, dass die Senkung des staatlichen Defizits während eines wirtschaftlichen Abschwungs unklug sei und gegen wirtschaftswissenschaftliche Lehrbücher verstoße.