Die abschlagsfreie Rente mit 63 sollte ursprünglich Arbeitnehmern in körperlich oder psychisch belastenden Berufen zugutekommen. Doch eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, dass diese Zielgruppe nur bedingt von der Regelung profitiert.
Wer geht tatsächlich früher in Rente?
Jedes Jahr nutzen rund 250.000 Menschen die Möglichkeit, vorzeitig in den Ruhestand zu gehen. Dies entspricht etwa einem Drittel eines jeden Jahrgangs. Die Studie zeigt jedoch, dass es nicht die stark belasteten Berufsgruppen wie Krankenschwestern, Tischler oder Maler sind, die von der Rente mit 63 besonders profitieren. Vielmehr nutzen vergleichsweise weniger belastete Angestellte diese Option.
Laut der Auswertung waren lediglich 30,6 Prozent der Frührentner während ihrer Erwerbskarriere stark belastet. Knapp 40 Prozent waren hingegen in Berufen tätig, die als leicht bis mäßig belastend eingestuft wurden.
Hürden durch Versicherungsjahre
Eine wesentliche Voraussetzung für die abschlagsfreie Rente ist der Nachweis von 45 Versicherungsjahren. Genau hier zeigt sich ein großes Problem: Hoch belastete Arbeitnehmer erreichen diese Voraussetzung oft nicht. Viele von ihnen scheiden früher aus dem Arbeitsleben aus, weil sie die Belastungen nicht länger tragen können, und sammeln so weniger Versicherungsjahre. Laut der Studie hatten 44 Prozent der stark belasteten Arbeitnehmer aus dem Jahrgang 1957 lediglich 10 bis 30 Versicherungsjahre – deutlich zu wenig für die Rente mit 63.
Alternativen zur aktuellen Regelung
Die Studienautoren schlagen vor, die Kriterien für die vorgezogene Altersrente neu zu definieren. „Die Dauer der Erwerbskarriere ist ein unzureichender Indikator, um berufliche Belastungen zu messen“, sagt DIW-Ökonom Hermann Buslei. Stattdessen könnten gesundheitliche und berufliche Belastungen stärker berücksichtigt werden.
Als Beispiel nennen die Ökonomen das österreichische Modell der Schwerarbeitspension. Dort hängt der frühere Renteneintritt nicht nur von der Dauer der Erwerbstätigkeit, sondern auch von der tatsächlichen körperlichen und psychischen Belastung ab.
Eine weitere Möglichkeit wäre ein altersabhängiges Erwerbsminderungskriterium. Dieses würde es belasteten Personen erlauben, früher in den Ruhestand zu gehen oder flexibel weiterzuarbeiten, je nach individueller Belastbarkeit. Dies könnte die heutigen Kosten der Rente mit 63 reduzieren, erfordert jedoch einen höheren Verwaltungsaufwand.
Ein Blick auf die Daten
Für die Untersuchung werteten die Forscher die Erwerbsbiografien von rund 8000 Männern des Geburtsjahrgangs 1957 aus. Frauen konnten aufgrund fehlender Daten zu Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die aktuelle Regelung nicht alle Zielgruppen gleichermaßen erreicht. Eine Reform könnte dafür sorgen, dass Menschen mit tatsächlich hohen Belastungen besser unterstützt werden, ohne die Stabilität des Rentensystems zu gefährden.