Teilzeitbeschäftigte in Deutschland können auf eine fairere Bezahlung hoffen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass sie ab der ersten Überstunde Anspruch auf Zuschläge haben. Eine Ungleichbehandlung im Vergleich zu Vollzeitkräften sei nur bei sachlich gerechtfertigten Gründen zulässig, erklärten die Richter in ihrem Urteil (8 AZR 370/20).
Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlung
Nach Ansicht des Gerichts verstoßen Regelungen, die Zuschläge erst ab Überschreitung der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten vorsehen, gegen das Diskriminierungsverbot. Besonders betroffen sind Frauen, da diese häufiger in Teilzeit arbeiten. Die Richter stellten fest, dass solche Regelungen oft eine „mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts“ darstellen. Laut Statistischem Bundesamt arbeiten über 12 Millionen Menschen in Deutschland in Teilzeit, der Großteil davon Frauen.
„Teilzeitkräfte dürfen bei Überstunden nicht schlechter gestellt werden als Vollzeitbeschäftigte“, betonte das Gericht. Dieses Urteil könnte viele Tarifverträge beeinflussen, die bisher die sogenannte Vollzeitquote bei Überstundenzuschlägen enthalten.
Präzedenzfall: Eine Pflegekraft klagte
Ausgangspunkt des Urteils war der Fall einer Pflegerin aus Hessen, die bei einem ambulanten Dialyseanbieter arbeitet. Sie ist mit 40 Prozent der Arbeitszeit einer Vollzeitkraft beschäftigt und hatte 129 Überstunden geleistet. Laut Tarifvertrag gab es Überstundenzuschläge nur, wenn die Arbeitszeit einer Vollzeitstelle überschritten wurde. Da dies nicht der Fall war, erhielt die Klägerin weder Zuschläge noch eine Zeitgutschrift.
Die Klägerin fühlte sich sowohl als Teilzeitkraft als auch als Frau diskriminiert. „Ich möchte gleich behandelt werden wie meine Vollzeitkollegen“, erklärte sie im Verfahren.
Entschädigung und Zeitgutschrift
Das Bundesarbeitsgericht entschied zugunsten der Klägerin. Sie erhielt eine Zeitgutschrift für die geleisteten Überstunden sowie eine Entschädigung von 250 Euro wegen Diskriminierung. Ihre Forderung nach einer höheren Entschädigung in Höhe eines Vierteljahresverdienstes (rund 4500 Euro) wurde jedoch abgelehnt.
Ihr Arbeitgeber hatte argumentiert, dass der Tarifvertrag die Zuschlagsregelung klar vorsehe. Die Vorinstanzen hatten unterschiedlich entschieden, und der Fall war auch vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt worden.
Signalwirkung des Urteils
Das Urteil könnte weitreichende Folgen haben, da ähnliche Regelungen in vielen Tarifverträgen vorkommen. Es stärkt die Rechte von Teilzeitbeschäftigten und macht deutlich, dass Diskriminierungen, auch indirekte, keinen Platz im Arbeitsrecht haben. Für viele Teilzeitkräfte bedeutet dies einen wichtigen Schritt in Richtung Gleichbehandlung und finanzielle Gerechtigkeit.