Warschau reagiert auf deutsche Maßnahmen
Polen führt ab Montag verstärkte Grenzkontrollen zur Bundesrepublik ein. Ministerpräsident Donald Tusk erklärte, es sei eine „symmetrische Reaktion“ auf die verschärften deutschen Kontrollen. Deutschland habe durch sein Vorgehen eine Kettenreaktion ausgelöst: Erst Tschechien, dann die Slowakei und nun auch Polen verschärfen die Überwachung – jeweils mit Verweis auf vorherige Maßnahmen der Nachbarländer.
Tusk begründete die Entscheidung auch mit innenpolitischem Druck. Die von der rechtsnationalen PiS und Präsident Karol Nawrocki unterstützte Bewegung Grenzschutz macht Stimmung gegen Geflüchtete. Deren Vertreter, der radikale Politiker Robert Bąkiewicz, behauptet, Deutschland wolle „Polen mit kriminellen Asylbewerbern überfluten“.
Neue Herausforderungen an der deutsch-polnischen Grenze
Die deutsche Polizei-Gewerkschaft warnt vor einem „Pingpong-Spiel“ mit Geflüchteten: Wenn Deutschland Menschen zurückweise und Polen diese nicht aufnimmt, könnten sich Lager im Niemandsland bilden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt wies dies zurück. „Ein solches Pingpong wird es nicht geben“, sagte er am Dienstag.
Zugleich befürchtet die Gewerkschaft Staus auf deutscher Seite, ähnlich wie es zuletzt auf polnischem Gebiet durch deutsche Kontrollen an Autobahnübergängen zu Rückstaus kam. Besonders betroffen wären Pendler und der regionale Verkehr in der Grenzregion.
Fallende Flüchtlingszahlen – aber härtere Praxis
Die Zahl der illegalen Einreisen nach Deutschland ist rückläufig: Im ersten Halbjahr 2025 wurden 30.600 Fälle registriert, im Vorjahr waren es 42.400, 2023 sogar 45.000. Seit dem 8. Mai verzeichnete die Bundespolizei 8.000 unerlaubte Grenzübertritte und 6.200 Zurückweisungen – darunter auch 285 Menschen mit Asylbegehren.
Die Zurückweisung von Asylsuchenden wurde mehrfach von Verwaltungsgerichten als rechtswidrig eingestuft. Dennoch hält Minister Dobrindt an dieser Linie fest. Ein Sprecher der Bundespolizei meldete, die Kontrollen hätten auch zur Vollstreckung von 1.500 Haftbefehlen geführt.
Widerstand in Nachbarländern und in der Koalition
Die Kritik an Deutschlands Vorgehen wächst: Luxemburgs Premier Luc Frieden forderte statt Kontrollen eine engere Polizeizusammenarbeit. Ähnlich äußerte sich Tschechiens Innenminister Vít Rakušan, der auf die Schengen-Regeln pochte. Auch Österreich bezeichnete die deutsche Praxis als rechtswidrig.
Die Kritik setzt auch Kanzler Friedrich Merz und Innenminister Dobrindt unter Druck. Laut SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetović sei die „enge Absprache mit europäischen Nachbarn bisher nur mäßig gelungen“. Die Koalitionsvereinbarung verlange jedoch gemeinsame Abstimmung bei Grenzfragen.
Berlin sucht nach Entschärfung des Konflikts
Die Bundesregierung deutet erste Zugeständnisse an. Dobrindt bot gemeinsame Kontrollen mit Polen auf deutschem Gebiet an. Auch Kanzler Merz erwägt nun Kooperationen im Grenzhinterland, um juristische Auseinandersetzungen mit der EU zu vermeiden. Laut Experten könnte Deutschland eine Niederlage vor dem EuGH drohen, da die Voraussetzungen der von Berlin genutzten EU-Notfallklausel nicht mehr erfüllt seien.