Bewährtes Diabetes-Medikament unter Druck
In Deutschland nehmen rund 2,9 Millionen Menschen Metformin – ein Präparat, das als Standardtherapie bei Typ-2-Diabetes gilt. Es senkt zuverlässig den Blutzuckerspiegel, wirkt herzschützend, ist gut verträglich und vor allem: äußerst preiswert. Doch nun steht das Medikament im Zentrum einer politisch-ökologischen Debatte. Eine neue EU-Abwasserrichtlinie droht, die wirtschaftliche Grundlage für die Produktion von Metformin zu zerstören.
Neue Umweltauflagen belasten Hersteller massiv
Die neue EU-Richtlinie zur Abwasserreinigung (UWWTD) verpflichtet Pharmaunternehmen dazu, sich an den Kosten einer zusätzlichen Reinigungsstufe in Kläranlagen zu beteiligen. Damit sollen Mikroschadstoffe, insbesondere Medikamentenrückstände, aus dem Abwasser entfernt werden. So nachvollziehbar dieses Ziel auch ist – für Medikamente mit sehr niedrigem Marktpreis wie Metformin drohen dramatische Folgen.
Laut Berechnungen des Marktforschungsunternehmens IQVIA könnten die neuen Umweltabgaben bis zu 445 Prozent der Herstellungskosten von Metformin betragen. Da der Verkaufspreis gesetzlich gedeckelt ist, bleibt den Herstellern kaum Spielraum: Sie dürfen die Mehrkosten nicht weitergeben.
Produktion könnte eingestellt werden
Die Konsequenz scheint unausweichlich: Hersteller erwägen einen Marktrückzug. Josip Mestrovic, Deutschlandchef des Generikaherstellers Zentiva, erklärte: „Kein Hersteller wird eine Vervierfachung der Kosten stemmen können, ohne sie weitergeben zu dürfen.“ Auch der Branchenriese Sandoz zieht offenbar eine Einstellung der Produktion in Erwägung.
Damit würde ausgerechnet ein Medikament verschwinden, das eine besonders kosteneffiziente und wirksame Behandlung ermöglicht – und das für Millionen chronisch Erkrankte.
Alternativen sind teuer und kompliziert
Die möglichen Ersatzpräparate zu Metformin sind alles andere als ideal: Sie sind wesentlich teurer, zum Teil injektionspflichtig und mit mehr Nebenwirkungen verbunden. Medikamente wie Gliflozine, Glutide oder Insulin gelten zwar als wirksam, stellen jedoch höhere Anforderungen an die Therapietreue.Das Berliner IGES-Institut schätzt die Mehrkosten für die Krankenkassen bei einem Metformin-Aus auf bis zu 1,5 Milliarden Euro jährlich – mehr als das Vierfache der heutigen Ausgaben.