Holdingstruktur soll Konzernverkäufe erleichtern
Der Traditionskonzern Thyssenkrupp steht vor dem wohl radikalsten Umbau seiner 214-jährigen Geschichte. Unter der Führung von Konzernchef Miguel Lopez sollen große Teile des Unternehmens verkauft oder ausgegliedert werden. In einem internen Restrukturierungsplan, den mehrere Quellen bestätigen, ist von einer Zerschlagung in Etappen die Rede – beginnend mit dem Umbau in eine Holdinggesellschaft.
Künftig soll nur noch eine kleine Konzernzentrale mit etwa 100 Mitarbeitenden bestehen bleiben. Derzeit arbeiten dort rund 500 Personen. Zudem ist ein Personalabbau von etwa 1000 Stellen in der Verwaltung geplant. Ein Insider kommentiert: „Übrig bleibt nur eine Dachgesellschaft ohne Inhalt.“
Historischer Bedeutungsverlust eines Industriegiganten
Die Konzernmarke Thyssenkrupp, entstanden 1999 aus der Fusion von Krupp und Thyssen, gilt als Inbegriff deutscher Industriekultur. Ihre Wurzeln reichen zurück bis zu den Gründungsjahren 1811 (Krupp) und 1891 (Thyssen). In den Hochöfen der Ruhrregion wurde nicht nur Stahl für den wirtschaftlichen Aufstieg Deutschlands geschmolzen, sondern auch Material für zwei Weltkriege produziert.
Unter Berthold Beitz, einer der prägenden Nachkriegspersönlichkeiten, stellte sich der Konzern später seiner historischen Verantwortung und wurde zum Motor des Wiederaufbaus. Diese Ära findet nun ihr Ende – mit einem Rückzug aus Kernbereichen wie Stahl, Schiffbau und Handel.
Verkauf von Schlüsselbereichen geplant
Zentrale Geschäftsbereiche sollen verkauft oder an die Börse gebracht werden. Die Stahlsparte steht bereits vor dem Verkauf an den tschechischen Oligarchen Daniel Křetínský. Die Marinesparte TKMS (Thyssenkrupp Marine Systems), zuständig für U-Boote und Fregatten, soll eigenständig an die Börse gehen.
Auch der Stahlhandelsbereich mit 16.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 12,1 Milliarden Euro ist zum Börsengang vorgesehen – trotz interner Zweifel an seiner Profitabilität. Ein hochrangiger Manager kritisiert: „Der Handel mit Stahl wirft wenig Gewinn ab. An der Börse wird das Interesse überschaubar sein.“
Politik hält sich auffällig zurück
Obwohl mit dem geplanten Umbau ein erheblicher Verlust an industrieller Substanz im Ruhrgebiet droht, bleiben reaktionsstarke Maßnahmen der Politik bisher aus. Besonders der NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zeigt laut Insidern wenig Engagement. Auch aus dem Kanzleramt unter Friedrich Merz sei kein klares Signal zu erwarten, obwohl es bei der Marinesparte um nationale Sicherheitsinteressen geht.
Ein Unternehmenssprecher erklärte lediglich, dass „Veränderungen ein normaler Bestandteil der Entwicklung“ seien. Zu konkreten Plänen äußerte sich der Konzern nicht.
Lopez plant seinen Triumph in Madrid
Während sich Tausende Mitarbeitende Sorgen um ihre Zukunft machen, steht für Vorstandschef Miguel Lopez offenbar eine Vertragsverlängerung ins Haus. Am 16. September, kurz nach der außerordentlichen Hauptversammlung, auf der der Börsengang von TKMS beschlossen werden soll, soll auch Lopez’ Vertrag verlängert werden.
Zur Feier lädt Lopez bereits jetzt rund 450 Top-Manager nach Madrid, seine Wahlheimat. Dort will er über die „Zukunft von Thyssenkrupp“ sprechen – und feiern. Ein Manager kommentiert trocken: „Madrid wird seine Krönungsmesse.“