Die Sondierungsgespräche zwischen CDU, CSU und SPD sind abgeschlossen, und ein gemeinsames Regierungsprogramm nimmt Gestalt an. In einem elf Seiten langen Papier haben die Parteien erste politische Leitlinien für eine mögliche Koalition festgelegt. Die wichtigsten Vorhaben umfassen unter anderem Steuersenkungen, Reformen im Sozialbereich, neue Maßnahmen in der Migrationspolitik sowie ein milliardenschweres Sondervermögen.
Steuer- und Wirtschaftspolitik
- Stromsteuer: Die Stromsteuer soll auf den in der EU erlaubten Mindestwert gesenkt werden. Dies soll eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde für private Haushalte und Unternehmen bringen.
- Einkommensteuer: Die breite Mittelschicht soll durch eine Reform der Einkommensteuer entlastet werden.
- Pendlerpauschale: Eine Erhöhung der Pendlerpauschale ist vorgesehen, um Berufspendler zu unterstützen.
- Elektroautos: Zur Förderung der Elektromobilität ist erneut ein Kaufanreiz für Elektrofahrzeuge geplant, nachdem die frühere Kaufprämie Ende 2023 gestrichen wurde.
- Gastronomie: Die Umsatzsteuer für Speisen in Restaurants soll dauerhaft auf sieben Prozent gesenkt werden.
- Landwirtschaft: Die von der Ampel-Koalition geplante Streichung der Agrardiesel-Vergünstigung für Landwirte soll rückgängig gemacht werden.
Arbeitsmarkt und Soziales
- Mindestlohn: Bis zum Jahr 2026 soll der gesetzliche Mindestlohn auf 15 Euro pro Stunde steigen.
- Rente: Rentner, die über das reguläre Renteneintrittsalter hinaus arbeiten, sollen künftig bis zu 2.000 Euro pro Monat steuerfrei dazuverdienen können. Zudem wird die Mütterrente ausgeweitet, sodass für vor 1992 geborene Kinder drei statt bisher zweieinhalb Erziehungsjahre angerechnet werden.
- Bürgergeld: Das Bürgergeld soll reformiert und in eine Grundsicherung für Arbeitssuchende umgewandelt werden. Wer zumutbare Arbeit wiederholt verweigert, muss mit einem vollständigen Leistungsentzug rechnen.
- Pflege: Eine umfassende Pflegereform soll die steigenden Kosten im Gesundheitswesen abfedern.
- Arbeitszeitregelung: Die tägliche Höchstarbeitszeit soll durch eine wöchentliche Höchstgrenze ersetzt werden. Mehrarbeitszuschläge für zusätzliche Stunden über eine Vollzeitanstellung hinaus sollen steuerfrei bleiben.
Migrationspolitik
- Staatsangehörigkeit: Die von der Ampel-Koalition reformierten Einbürgerungsregeln bleiben bestehen. Verkürzte Wartefristen und der Doppelpass für Nicht-EU-Bürger sollen beibehalten werden.
- Grenzkontrollen und Zurückweisungen: An den Landgrenzen sollen Asylsuchende zurückgewiesen werden können, allerdings nur in Absprache mit den Nachbarstaaten.
- Familiennachzug: Der Nachzug von Familienmitgliedern subsidiär Schutzberechtigter soll vorübergehend ausgesetzt werden.
- Abschiebungen: Eine “Rückführungsoffensive” ist geplant. Hierzu gehört, dass Abschiebungen ohne verpflichtenden Rechtsbeistand durchgeführt werden können. Zudem soll die Bundespolizei Abschiebehaft anordnen dürfen.
- Sichere Herkunftsstaaten: Die Liste sicherer Herkunftsstaaten soll erweitert werden.
Wohnungs- und Verkehrspolitik
- Mietpreisbremse: Die aktuelle Mietpreisbremse soll für zwei Jahre verlängert werden. Der soziale Wohnungsbau soll ausgebaut werden.
- Deutschlandticket: Die Zukunft des 49-Euro-Tickets für den öffentlichen Nahverkehr soll in den Koalitionsverhandlungen geklärt werden.
Weitere politische Maßnahmen
- Wahlrecht: Die erst kürzlich geänderten Regeln für die Bundestagswahl sollen erneut überprüft werden, da es Kritik am Ausschluss direkt gewählter Abgeordneter gab.
- Klimaschutz: Es sollen Leitmärkte für klimaneutrale Produkte geschaffen werden. Dazu gehören Quoten für grünen Stahl, erneuerbare Gase und vergaberechtliche Vorgaben. Die deutschen und europäischen Klimaziele sollen weiterverfolgt werden.
Finanzierung und Sondervermögen
- 500-Milliarden-Euro-Fonds: CDU und SPD planen ein Sondervermögen Infrastruktur mit einem Volumen von 500 Milliarden Euro über zehn Jahre.
- Investitionsbereiche: Die Mittel sollen insbesondere für den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäuser, Energieversorgung, Bildung, Wissenschaft und Digitalisierung genutzt werden.
Mit dem Abschluss der Sondierungsgespräche ist der Weg frei für Koalitionsverhandlungen, in denen die Details der geplanten Vorhaben konkretisiert werden sollen. Ob es zu einer Regierungsbildung kommt, hängt von den Parteigremien und möglichen weiteren Verhandlungen ab.
—————————–
Update:
Grüne stellen sich gegen Zustimmung zu Finanzpaket von Union und SPD
Die geplanten Grundgesetzänderungen für das milliardenschwere Finanzpaket von Union und SPD stehen vor einer ungewissen Zukunft. Die Grünen haben sich entschieden, das Vorhaben nicht zu unterstützen, was das geplante 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastruktur sowie die geplante Lockerung der Schuldenbremse ins Wanken bringt.
Grüne lehnen Grundgesetzänderung ab
Laut Fraktionschefin Katharina Dröge gibt es keinen ausreichenden Grund, das Finanzpaket mitzutragen. Ihrer Ansicht nach handelt es sich nicht um eine nachhaltige Investition, sondern um eine „Schatzkiste“, die Union und SPD nutzen würden, um bestimmte Wählergruppen zu bedienen. „Aus unserer Sicht sind das nicht die Maßnahmen, die den Herausforderungen des Landes gerecht werden.“
Die Grünen fordern stattdessen eine umfassende Reform der Schuldenbremse, um gezielt Investitionen in Klimaschutz und Wirtschaft zu ermöglichen. Parteichefin Franziska Brantner stellte klar: „Wir werden uns nicht dafür hergeben, um kostspielige Wahlgeschenke von CDU und SPD zu finanzieren.“
Grünen Fraktionschefin Katharina Dröge (mitte)
Kritik an Merz und Söder
Die Grünen zeigen sich nicht nur inhaltlich unzufrieden, sondern kritisieren auch das Vorgehen von CDU-Chef Friedrich Merz. Dieser hatte laut Dröge mehrere Angebote unterbreitet, darunter auch eine persönliche Nachricht auf der Mailbox von Britta Haßelmann – doch diese Vorschläge seien nicht überzeugend gewesen. Zudem sorgten die Angriffe von CSU-Chef Markus Söder gegen die Grünen, insbesondere beim politischen Aschermittwoch, für zusätzlichen Unmut.
Union und SPD in der Bredouille
Im Zuge der Koalitionsgespräche hatten sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, die Schuldenbremse zu lockern, um höhere Verteidigungsausgaben zu ermöglichen. Zudem war geplant, ein 500-Milliarden-Euro-Investitionspaket für Infrastruktur aufzulegen. Obwohl die Grünen zunächst keine eindeutige Haltung bezogen hatten, kommt nun die klare Absage.
Dies stellt Union und SPD vor eine schwierige Lage, denn der ursprüngliche Zeitplan für die Umsetzung könnte nun gefährdet sein. Eigentlich sollte die Grundgesetzänderung am 13. März im Bundestag debattiert und am 18. März final verabschiedet werden. Ohne die Unterstützung der Grünen wackelt jedoch die notwendige Mehrheit.
Um das Paket doch noch durchzubringen, müssen Union und SPD nun neue Bündnisse schmieden. Dabei könnte unter anderem Hubert Aiwangers Freie Wähler eine entscheidende Rolle spielen. Ob es in letzter Minute noch zu einer Einigung kommt, bleibt offen – doch fest steht: Die Finanzierung zentraler Zukunftsprojekte ist derzeit ungewiss.
———————————————–
Update:
AfD klagt gegen Bundestags-Sondersitzung – Linke prüft ebenfalls Schritte
Der Plan von Union und SPD, noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags weitreichende Grundgesetzänderungen zu verabschieden, stößt auf massiven Widerstand. Fünf AfD-Abgeordnete haben beim Bundesverfassungsgericht Eilanträge eingereicht, um die für Donnerstag angesetzte Sondersitzung des Bundestags zu verhindern. Auch die Linkspartei erwägt rechtliche Schritte gegen das Vorgehen.
Verfassungsbeschwerde gegen Einberufung des alten Bundestags
Laut einem Sprecher des Bundesverfassungsgerichts haben fünf Abgeordnete der AfD einen Eilantrag gegen die geplante Sitzung gestellt. Drei von ihnen gehören dem bisherigen Bundestag an, zwei dem neu gewählten Parlament. Zudem wurde eine separate Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Ziel der Klage ist es, zu verhindern, dass die noch amtierende Parlamentsmehrheit vor der Konstituierung des neuen Bundestags am 25. März grundlegende Entscheidungen trifft. Konkret geht es um die geplante Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben und die Schaffung eines 500-Milliarden-Euro-Sondervermögens für Infrastruktur.
Über die Klagen wird der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts unter Vorsitz von Vizepräsidentin Doris König entscheiden. Wann das Gericht eine Entscheidung trifft, ist bislang nicht bekannt.
Linkspartei überlegt ebenfalls Klage einzureichen
Neben der AfD kritisiert auch die Linkspartei das Vorgehen von Union und SPD scharf. Parteichef Jan van Aken stellte klar, dass die Partei im Laufe des Tages eine endgültige Entscheidung über eine eigene Verfassungsklage treffen werde. „Es ist in keiner Weise demokratisch, dass Union und SPD noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags über Verfassungsänderungen entscheiden wollen.“
Van Aken bemängelte zudem, dass die jüngste Bundestagswahl erst wenige Wochen zurückliege und dennoch die neuen Mehrheitsverhältnisse ignoriert würden. „50 Millionen Menschen haben vor zwei Wochen gewählt. Warum gehen wir überhaupt wählen, wenn die alten Abgeordneten weiterregieren, weil ihnen das Wahlergebnis nicht passt?“
Der Politiker betonte außerdem, dass die Schuldenbremse auch mit dem neuen Bundestag reformiert oder abgeschafft werden könnte. Die Linke stehe für konstruktive Verhandlungen zur Verfügung, lehne jedoch das Vorgehen der aktuellen Mehrheit ab.
Warum Union und SPD auf die alten Mehrheiten setzen
Union und SPD haben sich darauf verständigt, ein umfangreiches Finanzpaket auf den Weg zu bringen. Neben Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben ist ein 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen vorgesehen.
Für diese Grundgesetzänderungen wird jedoch eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat benötigt. Da CDU, CSU und SPD diese allein nicht erreichen, setzen sie auf eine Sondersitzung des alten Bundestags am 13. und 18. März, um mit den bisherigen Mehrheitsverhältnissen abstimmen zu können.
Nach der Konstituierung des neuen Bundestags am 25. März wäre eine Verfassungsänderung nur noch mit Unterstützung der AfD oder der Linkspartei möglich. Dies will die derzeitige Mehrheit offenbar vermeiden.
Bundestagspräsidentin sieht keine Alternative
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas erklärte, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sei, den alten Bundestag einzuberufen, sobald ein Drittel der Abgeordneten dies beantragt – was Union und SPD bereits getan haben.
Bundestagspräsidentin Bärbel BasBas erwartet jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet wird. Sollte das Gericht dem Antrag der Kläger stattgeben, müsste Union und SPD eine neue Strategie für die Umsetzung ihres Finanzpakets finden. Bis dahin bleibt unklar, ob die umstrittenen Grundgesetzänderungen noch vor der Einsetzung des neuen Parlaments beschlossen werden können.