Die Kaffeewirtschaft steht vor einer großen Herausforderung: Eine neue EU-Regelung, die den Schutz der Wälder durch eine nachhaltige Kaffeeerzeugung zum Ziel hat, führt zu erheblichen Turbulenzen. Die Vorschrift, die besagt, dass für den Anbau einer Kaffeepflanze kein Baum gefällt werden darf, hat weitreichende Konsequenzen für Kaffeeröster, Landwirte und letztlich auch die Verbraucher. Vor allem die damit verbundenen administrativen Anforderungen und die potenziellen Preissteigerungen für Kaffee rufen starke Reaktionen hervor.
Ein „grotesker Verwaltungsaufwand“ und die Forderung nach mehr Zeit
Johannes Dengler von Dallmayr Kaffee und Vertreter weiterer großer Kaffeeröster wie Lavazza und Darboven kritisieren die Regelung scharf. Sie sehen einen „grotesken Verwaltungsaufwand“ auf Unternehmen und Bauern zukommen und warnen vor einer „klaren Verknappung des Angebots“ sowie einem rapiden Anstieg der Kaffeepreise. Katharina Röhrig von Melitta äußert sich zwar moderater, unterstreicht jedoch die Schwierigkeiten, insbesondere für kleinere Kaffeebauern, die komplexen Anforderungen der EU-Verordnung zu erfüllen. Sie betont die Notwendigkeit, den Auf- und Ausbau geeigneter Strukturen in den Anbauländern zu unterstützen, fordert jedoch mehr Zeit für die Umsetzung.
Die drohende Unterversorgung und Preisanstiege
Die neue Regelung könnte eine Unterversorgung auf dem deutschen und europäischen Kaffeemarkt zur Folge haben, mit signifikanten Preissteigerungen für das verbleibende Angebot. Diese Entwicklung würde die deutschen Konsumenten, die weltweit zu den größten Kaffeeimporteuren zählen, besonders hart treffen.
Die Sorgfaltspflicht und ihre Auswirkungen
Ab dem 31. Dezember 2020 müssen Kaffeeröster eine Sorgfaltserklärung abgeben, dass für ihre Produkte kein Wald gerodet oder geschädigt wurde. Diese Anforderung erstreckt sich nicht nur auf Kaffeebohnen, sondern auch auf andere Rohstoffe wie Kakao und deren Folgeprodukte. Verstöße gegen diese Vorschriften können zu erheblichen Strafen führen, die bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes in der EU betragen können.
Kleinbauern am Rande des Abgrunds
Besonders hart trifft die Regelung Kleinbauern in Ländern wie Äthiopien, die vom europäischen Markt abgeschnitten werden könnten. Laut Holger Preibisch vom Kaffeeverband erfüllen derzeit nur etwa 20 Prozent der Farmer die neuen Anforderungen. Die Beschaffung der erforderlichen Informationen stellt sich als besonders schwierig heraus, insbesondere in den Hauptlieferländern Brasilien und Vietnam.
Die EU-Kommission und die Suche nach Lösungen
Während die Kaffeewirtschaft die neuen Regulierungen als zu restriktiv ansieht, betont die EU-Kommission die positiven Aspekte des Gesetzes, insbesondere die gesteigerte Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Um den Unternehmen entgegenzukommen, räumt die Kommission Klein- und Kleinstunternehmen mehr Zeit für die Anpassung an das neue Gesetz ein.
Die Rolle des grünen Landwirtschaftsministers
Angesichts der Probleme, die mit der Rückverfolgbarkeit von konventionellem, nicht-zertifiziertem Kaffee verbunden sind, wurde der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir eingeschaltet, um nach Lösungswegen zu suchen. Sein Haus bemüht sich um pragmatische Lösungen, um den Anforderungen der Regelung gerecht zu werden, ohne die Kaffeewirtschaft unverhältnismäßig zu belasten.
Die Bedeutung von Kaffee für die Arbeitswelt
Die potenziellen Preissteigerungen könnten weitreichende Auswirkungen haben, insbesondere auf die Arbeitswelt. Eine Studie von Tchibo zeigt, dass Kaffee das beliebteste Getränk am Arbeitsplatz ist, mit durchschnittlich 2,7 Tassen pro Tag. In Schleswig-Holstein liegt der Konsum sogar bei 3,1 Tassen pro Tag, was die Stimmung und möglicherweise auch die Produktivität am Arbeitsplatz beeinflussen könnte.
Die neue EU-Regelung zur nachhaltigen Kaffeeerzeugung ist ein ambitioniertes Unterfangen, das darauf abzielt, globale Entwaldung zu stoppen. Während die Ziele der Verordnung von vielen Seiten geteilt werden, stellt die Umsetzung eine erhebliche Herausforderung dar. Es bedarf einer sorgfältigen Abwägung zwischen Umweltschutz und den praktischen Belangen der Kaffeewirtschaft, um eine Lösung zu finden, die sowohl den ökologischen als auch den ökonomischen Anforderungen gerecht wird.