Karol Nawrocki gewinnt die Präsidentschaft
Karol Nawrocki, ein bisher weitgehend unbekannter konservativer Kandidat, hat sich bei der polnischen Stichwahl überraschend gegen den pro-europäischen Rafal Trzaskowski durchgesetzt. Laut der offiziellen Wahlkommission entfielen 50,89 Prozent der Stimmen auf Nawrocki, während Trzaskowski lediglich 49,11 Prozent erreichte.
Die Wahl galt als äußerst knapp. Noch um 21 Uhr hatten Nachwahlprognosen Trzaskowski mit 50,3 Prozent leicht in Führung gesehen. Doch mit fortschreitender Auszählung drehte sich das Ergebnis zugunsten Nawrockis. Die Beteiligung der 29 Millionen Wahlberechtigten lag bei beachtlichen 71,7 Prozent.
Der Sieg bedeutet nicht nur einen Machtwechsel im Präsidentenamt, sondern auch eine deutliche politische Absage an die von Premierminister Donald Tusk vertretene EU-freundliche Linie.
Deutsche Linke reagiert empört auf das Wahlergebnis
Insbesondere in deutschen Medien und Parteien sorgte das Ergebnis für scharfe Reaktionen. Der ARD-Journalist Georg Restle sprach auf X von einer „Katastrophe für Demokratie und Rechtsstaat in Polen“ und beklagte ein „Europa, das immer tiefer gespalten ist“.
Als er auf seine Äußerung hingewiesen wurde, dass es sich um eine demokratische Wahl gehandelt habe, antwortete Restle mit einem kontroversen Vergleich:
„Auch der Sieg der Nazis in Deutschland war das Ergebnis einer Wahl.“
Diese Aussage sorgte für breite Empörung und wurde von vielen Kommentatoren als historisch unsachlich und demokratieskeptisch kritisiert. Restle schaltete schließlich die Kommentarfunktion unter seinem Beitrag ab.
Auch Katrin Göring-Eckardt von den Grünen äußerte sich kritisch:
„Polen hat sich entschieden, knapp, ein gespaltenes Land, mitten in Europa. Es werden schwere Zeiten sein für alle, die die Freiheit lieben.“
Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP beklagte:
„Kein guter Morgen für das größte Friedensprojekt der Welt: Europa.“
Ein Präsident mit Macht und EU-Skepsis
In Polen hat das Präsidentenamt weitreichendere Befugnisse als etwa in Deutschland. Der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und kann mit seinem Vetorecht Gesetzesvorhaben blockieren. Nawrockis Vorgänger Andrzej Duda hatte dieses Recht regelmäßig genutzt, um Projekte der liberalen Regierung zu verhindern.
Diese politische Blockade zwischen dem Präsidentenlager und der Tusk-Regierung dürfte sich nun verschärfen. Nawrocki gilt als EU-kritisch, insbesondere gegenüber der Einflussnahme Brüssels auf Justiz und Migration.
Während des Wahlkampfs sah er sich mit Vorwürfen konfrontiert, unter anderem wegen eines Wohnungskaufs zu Niedrigpreisen und angeblicher Verbindungen zur organisierten Kriminalität. Trotz dieser Vorwürfe gewann er überraschend sowohl die erste Wahlrunde als auch die Stichwahl.
EU und Medien hatten auf Trzaskowski gesetzt
Die EU-Kommission hatte im Vorfeld der Wahl klare Sympathien für Trzaskowski erkennen lassen. Die konservative PiS-Partei, für die Nawrocki parteilos kandidierte, liegt seit Jahren mit Brüssel im Clinch – vor allem wegen ihrer Justizreformen und der restriktiven Migrationspolitik.
Trzaskowski, der als besonders linksliberal innerhalb des Regierungslagers gilt, erklärte sich zunächst am Wahlabend zum Sieger. Auf seiner Wahlparty sagte er:
„Wir haben gewonnen, auch wenn ich glaube, dass der Ausdruck ‚auf der Rasierklinge‘ in die polnische Sprache Einzug halten wird.“
Doch die Realität zeigte am Ende ein anderes Bild. Mit dem konservativen Wahlsieg in Warschau dürfte sich das Verhältnis zwischen Polen und der EU auf eine neue, konfliktreiche Ebene verlagern.