In einer Epoche, in der die Kunst der Renaissance als unumstößlicher Teil unserer Kulturgeschichte gilt, ereignet sich ein Vorfall, der die Welt der Kunst aufhorchen lässt: die überraschende Wiederentdeckung eines lange verschollenen Meisterwerks von Sandro Botticelli. Der berühmte Maestro, dessen Name untrennbar mit Meisterstücken wie „Die Geburt der Venus“ und „Primavera“ verbunden ist, erobert erneut die Schlagzeilen. Diesmal ist es ein Bildnis der Jungfrau Maria mit dem Christuskind, ein Werk, das in einem Privathaus in Gragnano, einem idyllischen Flecken nahe Neapel, Italien, ans Licht kam.
Das Erwachen eines Kulturerbes
Das Gemälde, ein beispielhaftes Kunstwerk der Renaissance, wurde von der Carabinieri-Abteilung für Kulturerbeschutz in Neapel als echter Botticelli identifiziert. Sein geschätzter Wert von 100 Millionen Euro unterstreicht seine immense Bedeutung. Ursprünglich 1470 für die römisch-katholische Kirche angefertigt, überstand dieses Tempera-auf-Holz-Gemälde (58 x 80 cm) verschiedene Widrigkeiten der Zeit. Ein Brand Anfang des 20. Jahrhunderts und später ein verheerendes Erdbeben im Jahr 1982 führten dazu, dass das Werk in den Besitz der Familie Somma überging, die es seitdem verwahrte.
Eine Odyssee durch die Jahrzehnte
Die Reise dieses Kunstwerks nimmt eine dramatische Wendung mit dem Erdbeben von 1982. Die Schäden an der Kirche machten es erforderlich, dass die Familie Somma das Gemälde in Obhut nahm. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Maßnahme rechtlich abgesichert war und die Familie keiner strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt ist. Trotz anfänglicher Überwachung durch lokale Behörden, geriet das Gemälde im Laufe der Zeit in Vergessenheit und wurde schließlich als vermisst gemeldet.
Das Erwachen eines Renaissance-Traums
Kommandant Massimiliano Croce von den Carabinieri erklärte die Umstände, unter denen das Gemälde diesen Sommer wiederentdeckt wurde. Er lobte die kooperative Haltung des örtlichen Bürgermeisters und unterstrich die Rolle des Staates bei der Wiederherstellung dieses kulturellen Schatzes. Das Bild, bis vor Kurzem der Öffentlichkeit unbekannt, soll nun wieder zugänglich gemacht werden.
Ein Kunstwerk trägt die Spuren der Zeit
Das Gemälde zeigt trotz einiger Beschädigungen – Farbverluste und Kratzer, die auf das Erdbeben und die darauffolgenden Umzüge zurückzuführen sind – die Kunstfertigkeit Botticellis. Maria, mit blondem, verschleiertem Haar, hält das Jesuskind im Arm – ein häufiges Motiv in Botticellis Werk. Die Abwesenheit des Bildes von der öffentlichen Bühne und die damit verbundene fehlende staatliche Aufsicht bleiben ein Thema voller Intrigen.
Zukunftspläne und bleibendes Erbe
Das Bildnis, das als eines von Botticellis letzten Werken vor seinem Tod im Jahr 1510 angesehen wird, soll nun einer gründlichen Restaurierung unterzogen werden. Nach Abschluss dieser Arbeiten wird es in einem der Nationalmuseen Neapels ausgestellt. Dieser Prozess wird schätzungsweise über ein Jahr in Anspruch nehmen.
Die Wiederentdeckung dieses Meisterwerks von Botticelli ist nicht nur ein Triumph für Kunsthistoriker, sondern auch ein Lichtblick für Kulturschützer weltweit. Sie betont das anhaltende Erbe der Renaissancekunst und die Mysterien, die sie umgeben. Die Familie Somma, obwohl zurückhaltend, spielte eine unbestreitbare Rolle bei der Bewahrung dieses Stückes Geschichte. Während das Gemälde sich auf sein öffentliches Debüt vorbereitet, steht es als lebendiges Zeugnis für die zeitlose Anziehungskraft und Bedeutung der Renaissancekunst, bereit, eine neue Generation von Bewunderern zu begeistern.