Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) den Auftrag zur Regierungsbildung erteilt. Nach gescheiterten Gesprächen für ein Mitte-Bündnis und angesichts der wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes soll FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der konservativen ÖVP über eine Koalition verhandeln. Damit könnte die FPÖ erstmals das Kanzleramt übernehmen.
Schwierige Entscheidung des Bundespräsidenten
„Ich habe mir diesen Schritt nicht leicht gemacht“, erklärte Van der Bellen. Er betonte, dass er trotz möglicher persönlicher Vorbehalte den Respekt vor dem Wählervotum in den Vordergrund stellen müsse. Mit knapp 29 Prozent der Stimmen hatte die FPÖ die Parlamentswahl im September für sich entschieden. Nach dem Rücktritt von ÖVP-Chef Karl Nehammer zeigte sich dessen Nachfolger Christian Stocker offen für Gespräche mit der FPÖ.
Van der Bellen hob hervor, dass er auf die Einhaltung der verfassungsmäßigen Prinzipien achten werde: „Herr Kickl traut sich zu, tragfähige Lösungen zu finden, und er will diese Verantwortung übernehmen.“ Kickl werde regelmäßig über den Stand der Verhandlungen berichten.
Proteste gegen Rechtsruck
Die Entscheidung des Bundespräsidenten wurde von massiven Protesten begleitet. Vor der Präsidialkanzlei in Wien versammelten sich Hunderte Demonstranten, die vor einem „gewaltigen Rechtsruck“ warnten. Die FPÖ gilt in Teilen als rechtsextrem, und ihr Vorsitzender Kickl steht wegen seiner umstrittenen Ansichten zur EU und seiner Nähe zu Moskau in der Kritik.
Politische Hintergründe
Die FPÖ könnte erstmals eine Regierung anführen, nachdem frühere Bündnisse mit der ÖVP (2000–2005 und 2017–2019) stets unter ÖVP-geführten Kabinetten standen. Die FPÖ hat sich bei Themen wie Migration und Steuern mit der ÖVP weitgehend geeinigt, doch Differenzen bestehen insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik. Während die FPÖ als EU-kritisch und Moskau-freundlich gilt, steht die ÖVP traditionell für eine proeuropäische Linie.
Die Gespräche über ein Regierungsprogramm werden entscheidend sein, ob es zu einer Koalition kommt. Österreich könnte damit eine der ersten Regierungen unter FPÖ-Führung erleben – ein Szenario, das sowohl national als auch international für Aufsehen sorgt.