Wasserstoff aus Plastik: Ein Pilotprojekt mit Potenzial

Wasserstoff aus Plastik: Ein Pilotprojekt mit Potenzial
4 months ago

Ein unscheinbares Metallgerüst auf einem Wertstoffhof in Ebersbach könnte zwei der drängendsten Probleme der Gegenwart angehen: die Plastikflut und die Wasserstoffproduktion. Green Hydrogen Technology (GHT) hat hier einen neuartigen Flugstromreaktor entwickelt, der schwer recyclebare Kunststoffe in Wasserstoff umwandelt. GHT-Geschäftsführer Robert Nave nennt den Projektstart einen „bedeutsamen Tag für den Hochlauf der Wasserstoff-Produktion“.

Die Technologie hinter dem Reaktor

Im Flugstromreaktor werden Kunststoffe und Biomasse bei Temperaturen bis zu 1.600 Grad Celsius in Wasserstoff und CO₂ zerlegt. Das entstehende CO₂ wird verflüssigt und als Kohlensäure an Getränkehersteller verkauft. „Unser Ziel ist es, sämtliche kohlenstoffhaltigen Abfälle zu verarbeiten“, erklärt Nave. Obwohl CO₂ entsteht, argumentiert er, dass der Prozess klimaneutral sei, da das Kohlenstoffdioxid nicht in die Atmosphäre gelange, sondern in einem geschlossenen Kreislauf verbleibe.

Kritik von Umweltorganisationen

Karsten Smid von Greenpeace äußert Zweifel an der Klimaneutralität der Technologie. Er bezeichnet den Reaktor als „Greenwashing“, da CO₂ ein Abfallprodukt bleibe. „Nur Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien produziert wird, ist wirklich grün“, betont Smid. Dieser sogenannte „grüne“ Wasserstoff wird durch Elektrolyse aus Wasser gewonnen, ist jedoch deutlich teurer. Während die Elektrolyse etwa acht Euro pro Kilogramm kostet, peilt GHT Kosten von 1,50 Euro an – ein entscheidender wirtschaftlicher Vorteil.

Potenzial und Herausforderungen

Die Pilotanlage in Ebersbach kann bis zu 100 Tonnen Wasserstoff pro Jahr erzeugen, was für eine Strecke von 1,7 Millionen Kilometern mit Wasserstoff-Lkw reicht. Abnehmer wie das Unternehmen Hylane, das eine Wasserstoff-Lkw-Flotte betreibt, sind bereits gefunden. Doch um signifikante Mengen zu liefern, sind größere Anlagen und Investoren nötig.

Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung sieht bis 2030 einen Bedarf von drei Millionen Tonnen vor. GHT plant, in den nächsten fünf Jahren mindestens fünf weitere Reaktoren zu errichten, die jährlich 2.000 Tonnen Wasserstoff produzieren sollen. Der Ansatz ist vielversprechend, da er Müll direkt dort verarbeitet, wo er anfällt, und somit Transportwege reduziert.

Eine Lösung für die Plastikflut?

Jährlich entstehen in Deutschland pro Kopf 237 Kilogramm Verpackungsabfall – Platz zwei in der EU. Weltweit könnte sich die Plastikproduktion bis 2060 verdreifachen. Der Müllreaktor bietet eine mögliche Lösung für das wachsende Abfallproblem. „Es kann nicht die einzige Lösung sein, aber wir sind ein Puzzlestück davon“, sagt Nave.

Das Pilotprojekt in Ebersbach ist ein erster Schritt, doch ob es tatsächlich eine nachhaltige Wirkung entfaltet, wird sich zeigen. Wenn die Technologie erfolgreich ist, könnte sie nicht nur die Wasserstoffproduktion revolutionieren, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Plastikkrise leisten.

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