Die COP28-Konferenz hat kürzlich einen internationalen Klimafonds verkündet, bei dem Deutschland 100 Millionen Dollar zur Verfügung stellt. Diese Zahl mag auf den ersten Blick beeindruckend erscheinen, aber im Vergleich zu den tatsächlichen Klimaschulden der wohlhabenden Länder erweist sich dieser Betrag als eher gering. Die Frage, die sich stellt, ist: Wie viel Schulden haben die Industrieländer den ärmeren Staaten der Welt wirklich angehäuft?
Die Klimakonferenz fand in einem der weltweit führenden Ölstaaten statt und begann gleich mit einer großzügigen Anzahlung. Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate sagten am ersten Tag 200 Millionen Euro für einen internationalen Klimafonds zu, der dazu dienen soll, klimabedingte Schäden und Verluste auszugleichen.
Ein Teil dieser Mittel ist für Inselstaaten und besonders arme Länder vorgesehen, die am härtesten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Neben Deutschland und den Emiraten haben auch Großbritannien, die USA und Japan beträchtliche Gelder zugesagt, obwohl die genauen jährlichen Beiträge und die Quellen dieser Mittel noch nicht festgelegt wurden.
Allerdings ist es wichtig zu beachten, was dieser Klimafonds nicht beinhaltet. Es gibt keine gezielte Entschädigung nach dem Verursacherprinzip und somit auch kein einklagbares Recht auf Entschädigungsansprüche. Das Wort “Entschädigung” taucht nirgendwo im Text auf.
Die Verkündigung dieses Fonds und die Art und Weise, wie er gestaltet ist, verdeutlichen die ethischen Herausforderungen, denen sich die Klimadiplomatie gegenübersieht. Es handelt sich um eine der komplexesten und kontroversen Debatten in der Geschichte der Menschheit, denn alle Menschen sind an der Klimakrise beteiligt und betroffen, jedoch in unterschiedlichem Maße.
Um die Tragweite dieser Debatte zu verstehen, muss man die Größenordnungen und die industrielle Geschichte betrachten. Im Sommer 2023 veröffentlichten die englischen Forscher Andrew Fanning und Jason Hickel eine eindrucksvolle Berechnung, die verdeutlicht, was die Industrieländer den Staaten mit geringeren Emissionen schulden.
Die Forscher gehen von der Annahme aus, dass alle Menschen grundsätzlich das gleiche Recht haben, Treibhausgase auszustoßen, bis zu einer Erderwärmung von maximal 1,5 Grad. Sie berücksichtigen jedoch, dass niemand für etwas verantwortlich gemacht werden kann, von dem er nichts wusste. Daher berechnen sie nur das CO₂-Budget seit 1960, als der Treibhauseffekt bereits bekannt war.
In ihrer Berechnung wird jedem Staat ein “fairer Anteil” zugewiesen, der sich aus seinem Anteil an der Weltbevölkerung über den betrachteten Zeitraum ergibt. Deutschland gehört zu den Ländern, in denen die industrielle Revolution früh begann, und hat seinen fairen Anteil bereits in den 1980er Jahren überschritten. Selbst wenn Deutschland bis 2050 Klimaneutralität erreichen würde, bliebe der deutsche Staat für einen überproportional hohen Anteil aller historischen Emissionen verantwortlich.
Deutschland gehört somit zu den Ländern, die am meisten zur Klimakrise beigetragen haben, mit einer Überschreitung von 250 Prozent über dem europäischen Durchschnitt. Die USA weisen die höchsten Emissionswerte weltweit auf, abgesehen von kleineren Staaten wie Katar, Luxemburg und Kuwait.
Auf der anderen Seite haben Staaten in Subsahara-Afrika wie Burundi, Chad und Somalia nur etwa ein Prozent ihrer Emissionsmöglichkeiten ausgeschöpft. China hingegen hat bis 2019 etwas mehr als die Hälfte seines Budgets genutzt und liegt nahe an der Schwelle, es zu überschreiten.
Diese Berechnungen werfen auch ein Licht auf die umstrittene Position einiger Länder, wie China, in internationalen Klimakonferenzen. Diese Länder argumentieren, dass sie nicht auf ihren wirtschaftlichen Fortschritt verzichten sollten, während die Industrieländer bereits einen Großteil des CO₂-Budgets verbraucht haben.
Die Forscher Fanning und Hickel gehen noch weiter und schlagen vor, dass Staaten, die ihren fairen Anteil überschreiten, diejenigen Staaten entschädigen sollten, die ihre Emissionen nicht voll ausgeschöpft haben. Diese Logik beruht darauf, dass die reichen Länder ihren Wohlstand auf Kosten anderer Länder aufgebaut haben, indem sie diesen die Möglichkeit genommen haben, ihre Wirtschaft durch massiven CO₂-Ausstoß zu entwickeln. Wenn wir also möchten, dass ärmeren Ländern die Möglichkeit gegeben wird, weniger CO₂ auszustoßen, sollten wir sie dafür entschädigen.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass insgesamt 192 Billionen Dollar an Entschädigungen erforderlich wären. Dieser Betrag kann nicht auf einmal gezahlt werden und wurde daher auf 30 Jahre aufgeteilt, was jährliche Zahlungen von 6,2 Billionen Dollar entspricht, etwa acht Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
Deutschland müsste aufgrund seiner historischen Emissionen jährlich 380 Milliarden Dollar an asiatische, afrikanische und südamerikanische Staaten zahlen, was etwa 9,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts entspricht. Dieser Betrag übersteigt die jährlichen Staatsausgaben für Sozialleistungen, Verteidigung, Bildung und Verkehr.
Wenn man diese Zahl auf die Bevölkerung umrechnet, würde jeder Deutsche etwa 4600 Dollar pro Jahr abgeben müssen. Zum Vergleich: Die bisherigen Zusagen Deutschlands an den “Green Climate Fund” bei vergangenen Klimakonferenzen beliefen sich auf nur zwölf Dollar pro Kopf. Die USA, die bereits das Vierfache ihres gerechten Anteils genutzt haben, müssten 15 Prozent ihres BIP pro Jahr zahlen, was eine fundamentale Umverteilung zur Folge hätte.
Die größten Nutznießer dieses Modells wären die Staaten in Subsahara-Afrika, die bis 2050 Zahlungen von 1000 Dollar pro Jahr und Einwohner erhalten würden. Dies übertrifft die durchschnittliche Wirtschaftsleistung der Region. Mit diesen Entschädigungen könnten viele Regierungen in Subsahara-Afrika ihre gesamten Staatsschulden in ein bis drei Jahren tilgen. Wenn das Geld direkt an die Bevölkerung ausgezahlt würde, wäre es in vielen Ländern mehr als das jährliche Pro-Kopf-BIP.
Indien mit seiner Bevölkerung von 1,1 Milliarden Menschen würde einen Zuschuss erhalten, der zwei Drittel seines BIP entspricht. Das Land hat nur etwa zwanzig Prozent seines theoretischen Emissionsbudgets ausgeschöpft. Diese Zahlen verdeutlichen, wie dringend es ist, eine gerechte Lösung für die Klimakosten zu finden und die Verantwortung der Industrieländer anzuerkennen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Klimakrise nicht nur eine ökologische Herausforderung ist, sondern auch eine ethische und wirtschaftliche Frage aufwirft, die eine globale Lösung erfordert, um die Folgen des Klimawandels gerecht zu bewältigen. Es ist an der Zeit, dass die wohlhabenden Nationen ihre Verantwortung anerkennen und angemessene Maßnahmen ergreifen, um den Schaden, den sie verursacht haben, wiedergutzumachen.