Deutschland: Firmenpleiten auf hohem Niveau

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Eine wachsende Herausforderung für die deutsche Wirtschaft

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland bleibt trotz eines leichten Rückgangs im August auf einem besorgniserregend hohen Niveau. Dies geht aus aktuellen Daten des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hervor. Laut den Experten könnte die Situation in den kommenden Monaten weiter eskalieren, was gravierende Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft und insbesondere auf die Lieferketten haben könnte.

Aktuelle Insolvenzzahlen: Ein Rückgang auf hohem Niveau

Im August 2024 gab es insgesamt 1.282 Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland. Das bedeutet einen Rückgang von neun Prozent im Vergleich zum Juli desselben Jahres. Dennoch liegt die Zahl 27 Prozent höher als im August 2023. Besonders in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen wurden Rekordwerte bei den Insolvenzen verzeichnet. Seit Beginn des IWH-Insolvenztrends im Jahr 2016 wurden in diesen Regionen noch nie so viele Firmenpleiten gemeldet.

Steffen Müller, Leiter der IWH-Insolvenzforschung, warnt davor, dass der Rückgang nur vorübergehend sein könnte: „Wir erwarten auf Basis unserer Frühindikatoren einen erneuten Anstieg der Insolvenzen im September und Oktober.“ Die Zahlen dürften damit weiterhin deutlich über den Werten der Zeit vor der Corona-Pandemie liegen.

Prognosen für die kommenden Jahre: Ein Anstieg der Pleiten

Das wirtschaftliche Umfeld in Deutschland gibt Anlass zur Sorge. Viele Ökonomen prognostizieren, dass die Zahl der Firmenpleiten im weiteren Verlauf des Jahres 2024 weiter steigen wird. Besonders kritisch ist die Einschätzung des weltweit größten Kreditversicherers Allianz Trade, der für das Jahr 2024 einen Anstieg der Insolvenzen um 21 Prozent erwartet. Dies würde bedeuten, dass bis zu 21.500 Unternehmen in die Insolvenz gehen könnten. Im Jahr 2025 dürfte sich dieser Anstieg leicht abflachen, jedoch immer noch bei etwa 22.000 Fällen liegen.

Die Ursachen für diese besorgniserregende Entwicklung sind vielfältig. Die deutsche Wirtschaft steht am Rande einer Rezession, die hohe Inflation und steigende Energiekosten setzen den Unternehmen zunehmend zu. Besonders kleine und mittelständische Betriebe kämpfen mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und sehen sich mit steigenden Kosten und sinkender Nachfrage konfrontiert.

Großinsolvenzen: Wenn es kracht, dann richtig

Ein besonders alarmierender Trend betrifft die sogenannten Großinsolvenzen, also Insolvenzen von Unternehmen mit hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Laut Allianz Trade gab es im ersten Halbjahr 2024 bereits 40 solcher Großinsolvenzen. „Aktuell gilt häufig: Wenn es kracht, dann richtig“, erklärte Milo Bogaerts, Chef des Kreditversicherers für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dieser Wert stellt nicht nur den höchsten Stand seit dem ersten Halbjahr 2015 dar, sondern liegt auch über ein Drittel höher als im Vorjahreszeitraum.

Große Insolvenzen betreffen oft ganze Branchen und haben schwerwiegende Folgen für die gesamte Lieferkette. Bogaerts betont: „Große Insolvenzen haben oft einen Dominoeffekt auf viele Unternehmen in der gesamten Lieferkette.“ Besonders betroffen sind der Bausektor, der Mode-Einzelhandel, Dienstleistungsunternehmen sowie die Bereiche Möbel und Haushaltswaren. Diese Branchen verzeichneten im Jahr 2024 eine auffällige Häufung von Insolvenzen.

Kliniken und weitere betroffene Sektoren

Auch der Gesundheitssektor bleibt von der Insolvenzwelle nicht verschont. Im ersten Halbjahr 2024 meldeten drei Kliniken in Deutschland Insolvenz an. Diese Entwicklung ist besonders beunruhigend, da der Kliniksektor ohnehin unter enormem finanziellen Druck steht. Steigende Kosten und die unzureichende Finanzierung des Gesundheitswesens verschärfen die Lage weiter.

Neben den Kliniken haben auch der Bau- und Einzelhandelssektor mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Viele Unternehmen in diesen Bereichen sind besonders stark von den Auswirkungen der steigenden Energiepreise und der sinkenden Konsumbereitschaft betroffen. Gleichzeitig stellen Materialengpässe und Lieferverzögerungen zusätzliche Herausforderungen dar, die die Liquidität vieler Unternehmen untergraben.

Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und die Lieferketten

Die Insolvenzen großer Unternehmen haben weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft. Besonders dramatisch wirken sich Insolvenzen in der Bauwirtschaft und im Einzelhandel aus, da diese Branchen eng mit zahlreichen Zulieferern und Dienstleistern vernetzt sind. Wenn ein Großunternehmen Insolvenz anmeldet, kann dies zahlreiche weitere Betriebe in der Lieferkette in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Dies führt zu einem Dominoeffekt, der nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch international zu spüren ist.

Die anhaltenden Schwierigkeiten in den Lieferketten haben dazu geführt, dass viele Unternehmen mit erheblichen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten kämpfen müssen. Besonders kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind häufig nicht in der Lage, diese Belastungen aufzufangen. Dies führt dazu, dass auch sie zunehmend in die Insolvenz geraten.

Die Lage bleibt angespannt

Die aktuelle Situation in Deutschland zeigt deutlich, dass die wirtschaftlichen Herausforderungen weiterhin groß sind. Obwohl die Zahl der Insolvenzen im August leicht gesunken ist, bleibt das Niveau hoch, und Experten warnen vor einem weiteren Anstieg in den kommenden Monaten. Besonders die Zunahme von Großinsolvenzen stellt eine erhebliche Gefahr für die gesamte Wirtschaft dar.

„Die Auswirkungen auf die Lieferketten und die betroffenen Branchen sind immens“, warnt Steffen Müller vom IWH. Angesichts der Prognosen für 2024 und 2025 bleibt die Lage angespannt, und es wird entscheidend sein, wie die Politik und die Unternehmen auf diese Herausforderungen reagieren. Die kommenden Monate könnten für viele Betriebe zu einer Existenzfrage werden.

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